Samstag, 7. Juni 2014

Buchtipp: Fünf Jahre danach/Sandra Wöhe

Ihr wisst ja, ich rezensiere für phenomenelle. Diesmal ein ganz spezielles Buch:
Diese Rezension ist für mich eine besondere. Auch ich bin "Fünf Jahre danach" und kenne alle Ängste, Zweifel und Überraschungsmomente, die Beate und Ijana im italienischen Straßencafe sitzend im Gespräch miteinander für uns Leser beschreiben. Die Beiden sind "Krebsschwestern", sie haben überlebt und gehen ganz gleich und doch ganz verschieden damit um - wie wir alle. Ich behaupte, JEDE Frau kann sich in ihnen wiederfinden. Sandra Wöhe hat mir damals, als ich krank war, durch zufälligen Mailkontakt eine Geschichte geschickt, die mich irgendwie getröstet hat. Ich fühlte mich verstanden und nicht alleine mit der Erfahrung. Darum wollte ich unbedingt ihren aktuellen Roman, der so ganz anders ist als z.B. "Giraffe im Nadelöhr" und doch ein echter Wöhe, lesen. Es gibt so viel darüber zu sagen und gleichzeitig bin ich so sprachlos. Es ist ganz sicher kein leicht zu lesendes Buch, andererseits bietet die Kulisse - bella Italia und la dolce vita - eine Ahnung von Sommer und Unbeschwertheit. Die Unbeschwertheit, die wir alle nach den Nachsorgeterminen empfinden. Gleichzeitig aber auch die Angst, dass der Krebs wiederkommt und doch die Gewissheit, dass wir so gemein zu ihm waren dass er sich nicht mehr in unsere Körper traut. Ijana und Beate rauchen im Cafe. Sie trotzen dem Krebs und den Unwägbarkeiten des Lebens und stellen es gleichzeitig infrage. Ijana versucht Beate zu überreden, ein Buch über den Krebs zu schreiben. "Es ist eine Sache, über Krebs zu schreiben, und eine andere darüber befragt zu werden", meint hingegen Beate. Das stimmt. Darüber befragt zu werden wühlt immer wieder auf. Aber es erklärt auch die Müdigkeit, die Erschöpfung, die uns Krebsschwestern überkommt. Die Energie ist nicht mehr dieselbe. Fatigue, neue Pläne, LEBEN - es ist anstrengend und spannend. Und all dieses Durcheinander hat Autorin Sandra Wöhe auf 219 Seiten in Worte gefasst. Ich bin begeistert und fühle mich wieder verstanden. Wenn sie erzählt, wieviele Pillen eingenommen werden mussten oder wie verrrückt man sich fühlt, kann ich nur denken "DANKE für dieses Buch". "Wenn draußen der Tod anklopft, geht innen ein Licht an. Tief unten im Bauch. Diesem Lebensflämmchen das Licht ausblasen zu wollen? Das gelingt niemandem" ist genauso ein wunderbar beschriebenes Gefühl wie ""Wir sind durch die Stürme des Meeres gesegelt, ohne im selben Boot zu sitzen. Und jede musste für sich allein mit der Seekrankheit fertig werden" All diese Gefühle und Gedanken kennen wir Krebsschwestern. Dieses Buch fasst das Unfassbare zusammen, macht Mut aufs Leben und die Liebe, die wie bei Ijana und Robi oder Beate und Eve alles irgendwie doch überdauert. Es ist nicht nur ein Buch für uns Betroffene. Es ist ein Roman, ein Gespräch von zwei Frauen mit denen man plötzlich zusammen im Cafe sitzt, für Angehörige, für die, die wissen, dass es jede von uns treffen kann und für die, die die fünf Jahre noch nicht durch haben. Ich mag es sehr.

Phenomenelle ist gerade 2 Jahre alt geworden